Freitag, 23. September 2011

MISSION (IM)POSSIBLE

Die Geburtstags-Überraschungsfeier


In Ghana begegneten wir furchtlos einer Mission nach der anderen:

Unsere Körper hatten nach 4 Wochen erfolgreich ein ausgeklügeltes Abwehrsystem entwickelt, das uns täglich gegen böse Bakterien, vernichtende Viren und andere grausame Krankheitserreger schützt. 

Wir nehmen mehrmals die Woche den erbitterten Kampf gegen nicht kleiner werdende Ordnerstapel und endlose Patientenanstürme an – ohne Rücksicht auf Verluste! 

Wir stellten uns fast jeden Sonntag der ungeheuerlichen Qual der Wahl für das passende Sonntags-Outfit.

In den letzten Monaten wurden unsere Körper mit eiserner Disziplin getrimmt: unsere Blasen wurden regelmäßig bis an den Rand einer Explosion getrieben und somit extrem für d’Wiesn trainiert. Das Fitness-Programm erweiterten wir mit Liegestützen, sowie Super-Seilspringen. 

Der 15. August stellte uns jedoch vor eine neue Mission, die alle anderen an Wagemutigkeit übertreffen sollte. Mission Geburtstag.

Der Auftrag wurde uns schon einen Monat zuvor erteilt, zum Glück. Er lautete:
Agentin Ama, Agentin Akos, ein gewisser Prince Agyei Antwi wird am 15. August vierundzwanzig. Ihr sollt dafür sorgen, dass er diesen Geburtstag nie vergisst – Kuchen, Kerzen, Geschenke, mit allem drum und dran. Eine Geburtstagsfeier nach westlicher Art, die ihm den besten Geburtstag seines Lebens beschert. Ihr habt einen Monat Zeit. 

Na, Prima! Nach all den Missionen, die wir erfolgreich bewältigen konnten, spielte diese in einer ganz anderen Liga. Ihr zu Hause werdet euch denken: „Hey, Geburtstagsfeten schmeißen ist doch ein Klaks, das wird hier zwischen Zähneputzen und Frühstück erledigt!“ Richtig, in Deutschland genügen ein paar Handgriffe, Telefongespräche und ein dicker Geldbeutel. 

Lasst uns also kurz unsere Lage in Ghana erklären, die den „Klaks“ in ein klitzekleines Problemchen verwandelte.

1.      Wir haben keine dicken Geldbeutel, die vieles erleichtern könnten – denn money, money, money can be bekanntlich funny! (Genau genommen haben wir nicht einmal Geldbeutel, sonder nur Beutel, aber die sind auch nicht prall gefüllt…)

2.       Wir sind in Ghana: sehr entscheidender Punkt. In diesem Land wird nämlich nicht die Geburt, sondern der Tod gefeiert. Wir haben es also mit einer Kultur zu tun, in der Geburtstag genauso viel wie Namenstag in Deutschland zählt: viele Leute vergessen ihn, geschweige denn sie wissen den genauen Tag. Nix Geschenke, nix wichtig. Immerhin existiert der Brauch, dem Geburtstagskind einen Eimer Dreck über den Kopf zu kippen und/oder es zu verprügeln. Super.

3.       Der Geburtstagskuchen, der in Deutschland bei keiner Feier fehlen darf. Dazu benötigt man leider einen Ofen. Schade.

4.       Die Party-Gäste. Hier greife ich auf Punkt 2 zurück: am „Ehrentag“ verprügelt und mit Dreck überschüttet werden. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass unter solchen Umständen Geburtstage gelegentlich sogar verschwiegen werden. Auf jeden Fall hüten sich die allermeisten davor, eine Party zu veranstalten, bei der mit Sicherheit diese liebenswürdigen Gesten ausgeführt würden. (Ausnahme stellt nur der 50. Geburtstag dar!)

5.       Die Einladung der folglich nicht erwünschten Party-Gäste. Wir besitzen einen kläglichen Bruchteil der Handynummern, die erforderlich wären.

Der einzige Aspekt, den wir einigermaßen zu bewältigen wussten, war die Geburtstagskarte. Immerhin ein Anfang. Wir, bzw. Johanna, schnippelten und malten, klebten und verzierten was das Zeug hielt. In diesem Teil der Mission gingen wir richtig auf und schoben die anderen Punkte, die noch zu erfüllen waren, ganz weit weg, in den hintersten Teil des Hirns. Was das Problem deren scheinbarer Unerfüllbarkeit leider nicht löste. Mist.
 Auch der Ausflug zu den Wasserfällen, der beinahe ins Wasser gefallen wäre, brachte lediglich Ablenkung, jedoch keine genialen Gedankenblitze. Wieder Mist.
Mittlerweile lief uns die Zeit davon und unsere Schlechten Gewissen fingen an, uns täglich mit den 5 angesprochenen Punkten zu nerven. Uns blieb nichts anderes übrig: wir mussten uns den Herausforderungen stellen!
Problem #1 lösten wir sehr elegant. Wir wussten zwar, dass ein abgefahrenes Geschenk, wie z.B. ein neuer Laptop oder ein Auto, die Mission auf der Stelle erfüllen würde, mussten uns finanziell jedoch leider zurückhalten. Stattdessen setzten wir auf eine abgefahrene Geburtstagskarte, in der so viel Aufwand, Kreativität und Zeit steckten, dass sie mit einem Auto LOCKER mithalten konnte. Das fanden wir zumindest.
Problem #2 stellte sich als etwas kniffliger heraus. Ich weiß ja nicht, wie ihr traditionelle Einstellung und Denkverhalten schwupps die wupps um 180 ° drehen würdet, uns fiel jedenfalls so schnell keine Lösung ein. Weshalb wir uns lieber dem 3. Problem zuwandten.
Problem #3 war der Kuchen. Wir stellten eine Liste auf, mit den Kuchen, die realisierbar wären, und denen, die auf keinen Fall gehen. Hier unser Ergebnis:
Kuchen, die auf keinen Fall gehen: Alle Torten (wegen Sahne), Schokokuchen (kein Kakaopulver/ Schokolade viel zu teuer), Obstkuchen (keine Glasur), alle Kuchen, die Backpulver oder zum Backen einen Ofen benötigen (also Schokokuchen gleich zweimal nicht!!)
Kuchen, die realisierbar wären:  -------      
           
Kurz vorm Verzweifeln lief auf der Straße unsere Rettung an uns vorbei. Sie war groß, mittleres Alter, wie die meisten Frauen über 30 etwas dick und ihre eigentlich schöne Stirn war in 4 große Falten gelegt. Diese rührten von der großen Kiste mit Plastikgläsern und Holzrahmen her, die sie geschickt auf ihrem schönen Kopf balancierte, während sie Passanten und Radfahrern auswich. Auf ihrem Rücken schlief ein kleines, bildhübsches Baby, fest in bunte Tragetücher gewickelt. Seine Haare waren noch ganz weich und wuschelig. Alles in allem eine ganz normale Verkäuferin, eine von vielen in Koforidua. Für uns war jedoch interessant, was sie verkaufte: es waren Pfannkuchen.
Wir strahlten uns an und fügten, sobald wir im Zimmer waren, „Pfannkuchentorte“ zur Kuchen, die realisierbar wären – Spalte hinzu. Jetzt mussten wir nur noch David, unsren Koch, um seine Hilfe bei diesem Projekt bitten – aber das war kein Problem :-)
Ein Problem wurde unerwarteterweise die Beschaffung der Zutaten für den Pfannkuchenteig, sowie der Belag (Schokocrème und Bananen). Ganze 2 Stunden lang rannten wir von einem Supermarkt zum anderen, um jedes Mal zur gleichen Erkenntnis zu kommen: es gibt in Koforidua keine Vollmilch, wie wir sie kennen und lieben –  ebenso wenig war die Schokocrème aufzutreiben. Statt Milch wurde schließlich „Creamer“ gekauft (man kann auch Kondensmilch sagen), die Schokocrème konnten wir nur dank Davids Tipp im Kühlregal der Tankstelle ausfindig machen. Ich wiederhole: in der TANKSTELLE!
Danach war es uns auch schon egal, dass die Eierfrau eine geschätzte Ewigkeit brauchte, um zu verstehen, dass wir rohe und keine gekochten Eier wollten. Und sie uns die rohen Eier auch nicht schnell kochen sollte. Einfach roh lassen. Bitte. Danke.
Mit etwas Verspätung ging es endlich in den Endspurt: 2 weitere Stunden Pfannkuchen braten und belegen. Aus 24 Pfannkuchen zauberten wir zwei tolle „Pancake-cakes“!

Leider blieb uns nun nicht mehr allzu viel Zeit, um alle Freunde zusammen zutrommeln, weshalb wir diese Aufgabe kurzer Hand an Jones und Ebenezer abgaben. Ein charmantes Lächeln kann Wunder bewirken ;-)

Schnell noch umgezogen und die Kuchen verpackt, um sie hungrigen Blicken zu entziehen, und los ging’s zum Geburtstagskind. Sogar Kerzen konnten wir auffahren. Das wäre jedoch fast nicht nötig gewesen, da allein die Pfannkuchentorten und die Karte jegliche Erwartungen übertrafen. Selbst die Geburtstagsgäste blieben nicht aus. Wir waren überrascht und erfreut zugleich, dass die Geburtstagsfeier ganz von allein einen traumhaften Verlauf nahm. Freunde, Nachbarn und Familie verköstigten sich mit Kuchen und Softgetränken, während im Wohnzimmer fleißig zu übertrieben lautem Hiplife getanzt wurde.
Princes Mutter Mary schlachtete ihm zu Ehren sogar ein Huhn – das natürlich gleich gemeinsam verspeist wurde, zusammen mit Reis und scharfer Tomatensoße *mmhh*
Einziger Minuspunkt: wir konnten nicht einmal mit vereinten Kräften die besten Freunde davon abhalten, den schon bereitgestellten Eimer voll brauner Brühe über dem Geburtstagskind zu entleeren. Unseren lautstarken Protesten entgegneten sie nur achselzuckend: „That’s our tradition…“ Da kann man wohl nichts machen.


Uns wurde jedenfalls umso leichter ums Herz, als Prince endlich den erlösenden Satz sagte:
„Hey, girls – this was the best birthday of my life!“
Mission erfüllt. Wahnsinniges Glücksgefühl.


J&S

Mittwoch, 14. September 2011

Boti Falls


Der Ausflug zu den Wasserfällen wäre beinahe ins Wasser gefallen…

2 gute Gründe, die Boti Falls in unsre Touri-ToDo-Liste aufzunehmen:

1. Sie sind eine der wenigen Sehenswürdigkeiten Ghanas, die in der Lage sind, Menschen aus aller Welt anzuziehen. Und dies nicht ohne Grund: vor allem in der Regenzeit wecken die wilden Wanderwege voller exotischer Erlebnisse und die rauschenden Riesenfälle berauschende Gefühle in den Herzen von Touristen.

2. Diese sagenhafte Touristenattraktion befindet sich nur eine halbe Stunde von Koforidua entfernt, also praktisch gleich um die Ecke ;-) So nah, dass es sich von Anfang an als perfekte Wochenendbeschäftigung anbot. Sogar so nah, dass man selbst nach der Arbeit noch hätte hin fahren können.

Dennoch haben wir es tatsächlich geschafft, mit dem Besuch der Boti-Wasserfälle bis kurz vor knapp zu warten. So kurz vor knapp, dass an dem Samstag, an dem der Ausflug dorthin Wirklichkeit werden sollte, auf äußere Umstände keine Rücksicht mehr zu nehmen war. Äußere Umstände wie Regen. Viel Regen.

Durch eine verheißungsvolle Regenpause bestärkt, stiegen wir schließlich mit Prince, Ebenezer und Kwame in unser Lieblingstransportmittel ein. Nach nur unglaublich kurzen 25 Minuten hieß es auch schon „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“. Das war die gute Nachricht – die schlechte lautete „Die Außentemperatur ist aufgrund von einsetzendem Regen auf 18 C° gesunken. Vielen Dank, dass Sie mit diesem TroTro gefahren sind. Wir wünsche Ihnen einen erfrischenden Aufenthalt bei den Boti Falls“.

Normale Menschen würden nun ihre Regenjacken überziehen und sich nach dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“ ins Abenteuer stürzen.

Steffi und Johanna hatten leider keine Regenjacken zum Überziehen und stürzten sich somit nach dem Motto „Schlimmer wird’s nimmer!“ ins Abenteuer.

Unser Ich-nehm-die-Regenkleidung-aus-Prinzip-nicht-mit-Trick funktionierte dann tatsächlich während dem ersten Teil unserer Exkursion ins Grüne. Den berühmten Umbrella Rock, so wie die höchst eigenartige dreiköpfige Palme konnten wir daher im Trockenen bewundern.


Allerdings konnten wir nun für die nassen Flecken auf unserer Kleidung nicht mehr das Wetter verantwortlich machen – zugegebenermaßen rührten diese von den Schweißperlen her, die von allen möglichen Körperteilen auf unsere T-Shirts tropften. Bei diesen „Wanderwegen“ hätte der Alpenverein noch ein hartes Stück Arbeit vor sich! Glücklicherweise haben wir wenigstens unsere Füßchen mit festen Schuhen angemessen ausgestattet, was die Klettertour erträglich machte. Die afrikanischen Mädchen hatten da durchaus mehr Schwierigkeiten, was allerdings nicht verwunderlich war.

Unbeholfenheit + Glitzerballerinas/Hohe Schuhe + Ausgeprägte Unsportlichkeit + Steiler, felsiger Wanderweg = PROBLEM

Wie lösen wir dieses Problem? Richtig, mit vereinten Kräften der männlichen Begleiter (allesamt behände, sportlich und mit festem Schuhwerk)!

Stolz können wir zwei berichten, dass wir Hin – UND Rückweg auch ohne diese Hilfe geschafft haben ;-) (Dazu muss fairer weise gesagt werden, dass die Jungs mit ihrem Verhalten und Witzen für haufenweise Ablenkung sorgten, was den Weg nur noch halb so anstrengend erscheinen ließ.)




Doch dies war nur der erste Streich, denn der zweite folgt sogleich:

Während wir uns kurz mit Waakye (Reis mit Bohnen und scharfer Soße) und Fleischspießen stärkten, statteten uns die geliebten Regenwolken einen erneuten Besuch ab. Über uns und den Wasserfällen schienen sie ein gemütliches Plätzchen gefunden zu haben, da sie sich bis zum Schluss nicht mehr verziehen wollten.

Als wir durchnässt und zitternd vor den Wasserfällen standen, hätte also nach unserem Geschmack ruhig etwas weniger Wasser von oben nach unten strömen können...



Dennoch verbrachten wir eine beträchtliche Zeit an diesem Naturschauspiel. Seine natürliche, einfache Schönheit brachte uns so viel Freude, dass wir alles um uns herum vergaßen. Während man das fröhliche Wasserspiel betrachtete, war es, als neigten sich über einem die Bäume leicht, als wollten sie einen behüten. Ich fühlte mich so geborgen und glücklich, dass ich Steffi fest in meine Arme schloss, um mit ihr dieses Gefühl zu teilen. So standen wir lange Zeit Arm in Arm im Regen – bis die Idylle gestört wurde. 

In den Rufen und dem lauten Gebaren der anderen Touristen, so wie der zunehmenden Kälte löste sich der Paradiesschleier, der sich zuvor über diesen Ort gelegt hatte, langsam auf.

Es war also höchste Zeit, die letzten Fotos zu schießen und nach Hause zu gehen. Besser gesagt zu fahren, zu fünft in einem Taxi. Aber es waren ja nur 25 Minuten ;-)





J&S